von Elfriede Jelinek
RambaZamba Theater
Heutzutage scheint der Sport allgegenwärtig. Kein Tag vergeht, ohne dass Sportereignisse, Akteure, Funktionäre oder Verbände Gegenstand medialer Berichterstattung werden. Die Jagd nach Rekorden, der Gewinn oder Verlust von Wettkämpfen addieren sich zu einer Ideologie, die an das Bild eines optimierten, leistungsfähigen Körpers gebunden ist. Der Sport stellt damit einen Stoff dar, der geradezu prädestiniert für ein Inklusionstheater wie das RambaZamba ist.
EIN SPORTSTÜCK, so der Titel der Vorlage für die Bühne von Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, erzählt von diesen Körpern, die immer weiter über sich hinauswachsen sollen und dafür gefeiert werden. Der 1998 publizierte Text berichtet von der Transformationsgeschichte des menschlichen Körpers, von den Wünschen, die auf ihn projiziert werden. Als würde ausgerechnet der Sport die Brücke zum Idol des Übermenschen stiften.
Die Inszenierung rückt einschneidende Stationen dieser Körpergeschichte ins Licht der Scheinwerfer. Sie setzt in der Zeit der Antike an, als alle vier Jahre die zu Ehren der Götter abgehaltene Olympiade das Licht der Welt erblickte. Es folgt das von Leni Riefenstahls filmisch inszenierte Fest des heroisch codierten (weißen) Körpers mit Olympia 1936, in dem der Sieg des Einzelnen als Erfolg der verzückten Volksgemeinschaft verbucht wurde. Der Dritte Teil Andi – Ach, Andi springt in die 1980er Jahre, als der Typus des Bodybuilders – stets ein Fässchen mit anabolen Stereoiden unter dem Arm – die Bühne der Welt betrat. Um sich seinem Idol Arnold Schwarzenegger äußerlich anzugleichen, puscht sein empirischer Doppelgänger Andi in Österreich seinen Körper mit allerlei muskelfördernden Mitteln. Seine wohlgeformte Hülle, so der reale Fall, schleppte sich noch mehr als ein Jahrzehnt als lebender Toter zu Body Building Events all over Austria. Danach setzt die digitale Revolution ein, die Arme, Beine, Muskeln und Blutbahnen in der Sprache des Codes auflöst, um den Leib in Form von Avataren neu zusammengesetzt auferstehen zu lassen. Der alte Körper ist tot, lang lebe der virtuelle Körper!
Die einzelnen Episoden werden von Szenen gerahmt, in denen sich der Funktionär als eigentlicher Protagonist hinter den Kulissen aus Rasen, Rennbahnen, Hürden, Netzen usw. zu erkennen gibt. Final bekommt Jelineks Prämisse, dass ein genuiner Zusammenhang zwischen Sport und Krieg existiert, beklemmende Aktualität.
Die Inszenierung findet im Rahmen des Kulturprogrammes der Special Olympics 2023 in Berlin statt. Hier treten Sportler*innen mit geistiger und mehrfacher Behinderung vom 17. bis 25. Juni im Berliner Olympiastadion in 26 Disziplinen gegeneinander an.
Im Rahmen dieser Inszenierung kooperiert das RambaZamba Theater mit Regiestudierenden der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch. Letztere setzt sich im Rahmen des Projektes Inklusion in der Lehre der Theaterkünste seit 2023 verstärkt mit der Bühnenkunst von Theaterschaffenden und Schauspielenden mit kognitiven Behinderungen in Theaterbetrieb und Ausbildung auseinander. Neben dem Regisseur Jacob Höhne inszenieren die Regiestudierenden Linda Glanz, Lily Kuhlmann, Rosa Rieck, Marten Straßenberg und Josephine Witt die verschiedenen Teilstücke, die ein gemeinsames Regieprojekt bilden.
KReativteam
Regie
Jacob Höhne, Linda Glanz, Lily Kuhlmann, Rosa Rieck, Marten Straßenberg, Josephine Witt
Künstlerische Gesamtleitung
Jacob Höhne
Bühne
Jacob Höhne
Kostüme
Nicole Timm
Choreografie
Sara Lu
Chorleitung
Bernd Freytag
Musikalische Einspielungen
Leo Solter
Videoprojektionen & Visualisierungen
Marco Casiglieri
Dramaturgie
Frank Raddatz
Technische Leitung
Robert Philipp
Regieassistenz
Michael Geißelbrecht
Dramaturgieassistenz
Joy von Wienskowski
Regiehospitanz
Prune Tirmarche
Lilly Pöhlmann
David Zaldivar Hanke
BESETZUNG
Juliana Götze
Anil Merickan
Hieu Pham
Jonas Sippel
Sebastian Urbanski
Chor
Bettina Brezinski
Selina Fischer
Eva Gerngroß
Fleur Grelet
Anna Sehls
Fotos im Hintergrund: Marcus Dallüge, (c) 2023