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Grosse Freiheit


Kurt Weill Fest 

Spielort: Anhaltisches Theater Dessau 

So mancher Musikkenner wendet sich mit Grausen vom Schlager ab. Oberflächlich, trivial, sentimental seien sie – die auf die Drei-Minuten-Länge alter Schallplatten hin getrimmten Liedchen. Blaue Nacht oder roter Mond, Liebe, Leid und Lust in wenigen Worten und vorhersehbaren Harmonien. Aber hören wir nicht auch die sanfte Sehnsucht, die wehmütigen Wonnen und den sarkastischen Schmerz einer Zeit im Umbruch? Sind es nicht die sanglichen Melodien und spritzigen Rhythmen, die Friedrich Hollaender, Mischa Spoliansky und Kurt Weill so berühmt gemacht haben?

 

Entdecken wir in den frech-beziehungsreichen Worten ihrer Textdichter nicht, was die Menschen damals und vielleicht auch in unserer Gegenwart umtreibt?

 

„Nichts ist so tief wie die Oberfläche “, soll der Dichter Paul Verlaine gesagt haben. Das trifft auch für die Miniaturen zu, die Artist-in-Residence Katharine Mehrling zum Abschluss des Kurt Weill Festes singen wird. „Mich interessieren die Geschichten und Deutungen zwischen den Zeilen. Sie lassen vieles offen, bewahren immer ein Geheimnis. Somit kann ich meine eigenen Geschichten erzählen“, sagt sie über die große Kunst der kleinen Lieder, von denen nicht zuletzt Kurt Weill überzeugt war. Für ihn galt der Unterschied von „ernster“ und „unterhaltender“ Musik nicht.

 

Katharine Mehrlings Partner auf die Bühne sind Musiker des Orchesters der Deutschen Oper Berlin, die seit mehr als 15 Jahren der vitalen Kunst des Jazz frönen. „Wenn ich mir was wünschen dürfte“, träumt Friedrich Hollaender. Was wäre das? Vielleicht das Sehnsuchtsland „Youkali “ Kurt Weills? Oder die „fesche Lola“, der „Liebling der Saison“? Otto Reuter, der unvergessliche Schöpfer humorvoller Couplets, hat dazu eine ganz eigene Meinung: „Nehm‘n se ’n Alten …“


Fotos im Hintergrund: Marcus Dallüge, (2022)