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Wer einmal aus dem Blechnapf frisst

nach Hans Fallada

 

Eine Theaterproduktion von aufBruch KUNST GEFÄNGNIS STADT 

in der Jugendstrafanstalt Berlin

Willi Kufalt ruft die Freiheit. Nach fünfjähriger Haft steht die Entlassung bevor. Anständig will er werden, einen sauberen Anfang und das kleine Glück: Arbeit, Familie, vielleicht mal Kino. Seinem bescheidenen Wunsch steht die Realität der Weimarer Republik entgegen: Chaos, Krise, Inflation und Massenarbeitslosigkeit.

 

Optimistisch folgt er seiner Sehnsucht nach sozialem Aufstieg. In einem Heim für Strafentlassene heuert er als Adressenschreiber an, aber die christliche Fürsorge entpuppt sich als Ausbeutungsmaschinerie. Besser sich mit einer Gruppe Gleichgesinnter selbständig machen und eine eigene Schreibstube gründen. Doch die übermächtige Konkurrenz schlägt sie nieder. Also weiter als Annoncenwerber und das mit Erfolg. Sogar eine Hochzeit steht in Aussicht und damit auch der ersehnte Eintritt in die Bürgerlichkeit.

 

Aber das Stigma des Strafentlassenen klebt an ihm wie zähes Pech. Zu Unrecht des Diebstahls beschuldigt wird seine Vergangenheit offenbar und er verliert alles: Arbeit, Familie und jede Hoffnung auf ein rechtschaffenes Leben.

Resigniert begibt er sich in die Hamburger Unterwelt und atmet auf: Endlich vorbei das verzweifelte Abmühen, das Zittern an den Grenzen der Anständigkeit. Das System, das von der Ausbeutung der Schwächsten lebt, gibt das Gesetz des Stärkeren vor. Kufalt kehrt die Gewalt, die er tagtäglich im Kleinen erlebt, mit eiserner Faust nach außen, will treten statt getreten zu werden. Ein letztes Mal versucht er sein Glück und landet dort, wo seine Geschichte begann: in einer Gefängniszelle.

 

Hans Fallada, einer der großen Erzähler des beginnenden 20. Jahrhunderts, weiß, wovon er schreibt. Selbst mehrmals Insasse in Gefängnissen und psychiatrischen Anstalten führte er ein Leben zwischen Welterfolg und Abgrund, ständiger Produktion und Selbstzerstörung. Nach seiner Erfahrung beginne die Schwierigkeit der Wiedereingliederung ehemaliger Strafgefangener bereits während der Haftzeit und der Kreislauf aus Bevormundung, Ausbeutung und Stigmatisierung draußen untergrabe jeden Versuch des Strebens nach Selbstbestimmung und gesellschaftlicher Anerkennung.

 

Willi Kufalts Schicksal bewegt, weil es eine frustrierende Niederlage der guten Absicht beschreibt. Ein langsam Verzweifelnder zwischen Aufruhr und Resignation, hin- und hergeworfen zwischen der Unruhe der Zeit und dem Rumoren der eigenen Gedanken. Für ihn gibt es kein Innehalten, nirgends. Sein Stigma wird ihm zum Verhängnis, das Gefängnis im eigenen Kopf zur Falle.

 

Gemeinsam mit dem Ensemble der Jugendstrafanstalt Berlin hinterfragt aufBruch die Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs, die sich Kufalt in einer Gesellschaft bieten, die zwar Chancengleichheit auf dem Papier verspricht, in der Realität aber nicht einhält.


Kreativteam

Regie 

Peter Atanassow 

 

Bühne 

Holger Syrbe 

 

Kostüme 

Anne Schartmann 

 

Dramaturgie 

Franziska Kuhn 

 

Rap-Erarbeitung und -coaching 

Aisha Madarati 

 

Musikalische Einstudierung 

Vsevolod Silkin 

 

Video 

Pascal Rehnolt 

 

Produktionsleitung 

Sibylle Arndt 

 

Regieassistenz 

Nina Flemming 

 

Produktionsassistenz 

Franziska Judith Hildebrandt 

 

Technik 

Lukas Maser 

 

Grafik

Dirk Trageser

Gefangenenensemble

Baker, Elias, George, Gustavo de Costa, Jamal, Justin H., Mirco, Patrick, Tim-Noah



Foto im Hintergrund: Marcus Dallüge, (c) 2024