Oper in zwei Akten von Benjamin Britten, Op. 37
Libretto nach Andrè Obeys Schauspiel „Le Viol de Lucrèce“ von Ronald Duncan
Potsdamer Winteroper
Koproduktion von der Kammerakademie Potsdam und dem Hans Otto Theater
Spielort: Neues Palais Potsdam-Sanssouci - Schlosstheater
Die tragische Geschichte der Römerin Lucretia steht wie kaum eine andere für die Selbstbestimmtheit einer erniedrigten Frau und rückt die Macht der Einzelnen gegenüber der Gesellschaft in den
Fokus. Benjamin Britten, der bedeutendste englische Komponist des 20. Jahrhunderts, hat den antiken Stoff 1946 in Form einer Kammeroper vertont und ihm einen emotional berührenden Zugang
verliehen.
Die Handlung fällt in die Zeit der Belagerung Roms durch den tyrannischen Etruskerkönig Tarquinius Superbus um 500 vor Christus. Lucretia, die Ehefrau des Generals Collatinus, gilt als Muster
makelloser Treue und Tugend und passt damit ganz und gar nicht in das von Ausschweifungen und Hurerei geprägte Rom der Zeit. Lucretias reines Wesen ist eine einzige Provokation für die verrohte
und sittenlose Gesellschaft, zu der auch der Prinz Tarquinius gehört, Sohn des Tyrannenkönigs.
Bei einem Trinkgelage fasst er den Beschluss, Lucretias Treue zu erproben. In ihrem eigenen Haus bricht er mit Gewalt ihre Unschuld. Während sich Lucretia gegen ihre Schändung nicht wehren
konnte, wird sie am Morgen danach ihrem Ehemann davon berichten. Obwohl sie von ihm Trost erfährt, kann sie mit dem Trauma der Erniedrigung und Schande nicht weiterleben. Als einziger Ausweg
erscheint ihr der Selbstmord. Ihr Suizid ist der Beginn des römischen Aufbegehrens gegen die verhasste Tyrannenherrschaft der Etrusker. Der angefachte Bürgerkrieg mündet in der Beendigung der
Monarchie und dem Entstehen der Republik – Lucretias Name ist ihrem Gründungsmythos verewigt.
Das Drama um die Schändung der Lucretia gehört seit der Renaissance zu den faszinierendsten Motiven künstlerischer Auseinandersetzung in der Malerei, Dichtung und Musik. Britten nimmt in seiner
zweiaktigen Kammeroper Bezug auf barocke Stilelemente Henry Purcells, die er mit neuen dramatischen Effekten verschmilzt. Seine melodischen Motive verleihen den Szenen eindringliche Subjektivität
und den Rollen psychologische Tiefe. Mit acht Gesangssolisten sowie dem kammermusikalischen Orchester entstand ein expressives und spannungsvolles Meisterwerk.
Ein Erzähler und eine Erzählerin repräsentieren den antiken Chor und führen, ähnlich der Bach’schen Evangelisten, in die Handlung ein, die sie von einem christlichen Standpunkt aus kommentieren.
Lucretias Tod erscheint bei ihm gleichsam als aufwühlendes Zeugnis wie auch als stille Mahnung.
Eine besondere Verbindung des Lucretia-Topos‘ stellt die Potsdamer Winteroper 2020 auch mit ihrem Aufführungsort her – dem Schlosstheater im Neuen Palais. Friedrich der Große erwarb das Gemälde
„Lukretia und Sextus Tarquinius“ der Barockmalerin Artemisia Gentileschi (1593–1654) für sein Schloss und wies ihm einen prominenten Platz zu.
Zur Warnung vor unsittlichem Verhalten des Kronprinzen ließ er es vor dessen Tür hängen. Das Gemälde befindet sich heute im Besitz der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg
und liefert der Potsdamer Winteroper 2020 zusätzliche kunstgeschichtliche Berührungspunkte, die in unserem thematischen Begleitprogramm in den Fokus gerückt werden.
KREATIVTEAM
Musikalische Leitung
Douglas Boyd
Regie
Isabel Ostermann
Bühne und Kostüme
Stephan von Wedel
Dramaturgie
Carola Gerbert
BESETZUNG
Erzähler
Caspar Singh
Erzählerin
Kate Royal
Collatinius
NN
Junius
Richard Burkhard
Tarquinius
Seán Boylan
Lucretia
Katie Bray
Bianca
Kathleen Wilkinson
Lucia
Fflur Wyn
Kammerakademie Potsdam
Fotos im Hintergrund: Marcus Dallüge, (c) 2021