Man soll gehen, wenn es am schönsten ist, heißt es. Exquisit verköstigt, nach ein wenig Klaviermusik zum Kaffee und angeregter Konversation wäre so ein Moment gekommen. Doch die illustre Gesellschaft, die sich bei den Eheleuten Nobile eingefunden hat, mag sich nicht verabschieden. Obwohl sich Müdigkeit breitmacht und der Anstand es verlangen würde. Irgendetwas hält die Gäste vom Gehen ab. Zeit vergeht. Sogar eine ganze Nacht. Noch immer ist niemand imstande, den Salon zu verlassen. Dabei steht die Tür offen. Äußerlich ist nichts auszumachen, was die unfreiwillige Gemeinschaft abhält. Alle bleiben, widerwillig, und zunehmend drohen Konventionen, Ratio und Moral zu erodieren …
Mit seinem surrealistischen Filmklassiker „Der Würgeengel“ zeichnet Luis Buñuel das Porträt einer Gesellschaft zwischen Macht und Ohnmacht. Eine Zufallsgemeinschaft, deren einzelne Mitglieder in der zunehmend bedrohlichen Situation verharren, dem eigenen Willen und dem unverstellten Ausgang zum Trotz. Eine gesellschaftliche Diagnose, die seit der Filmpremiere 1962 nicht an Aktualität verloren hat. Denn was sind denn die unsichtbaren Schranken, die uns wider besseres Wissen hindern, gegen Klimaerwärmung, Krieg und andere Krisen tätig zu werden? Entlang seines Untertitels „Psalmen und Popsongs“ setzt sich Simons sinnlich wie inszenatorisch mit diesem Zustand auseinander, der sich nur unzureichend mit Begriffen wie Apathie, Ohnmacht oder Schockstarre fassen lässt.
Johan Simons, 1946 geboren und aufgewachsen im niederländischen Heerjansdam, absolvierte zunächst eine Tänzerausbildung und ein Schauspielstudium, bevor er 1976 Direktor, Regisseur und Schauspieler der „Haagsche Comedie“ wurde. 1985 gründete er die Theatergroep Hollandia, mit der er national und international große Erfolge feierte und die er, später unter dem Namen ZT/Hollandia, 20 Jahre leitete. Anschließend wurde er Intendant des NTGent in Belgien. Seit 2000 arbeitet Simons als Regisseur an deutschsprachigen Theatern, u. a. am Schauspielhaus Zürich, an den Münchner Kammerspielen, am Thalia Theater Hamburg und am Wiener Burgtheater. Von 2010 bis 2015 leitete er als Intendant die Münchner Kammerspiele, die 2013 von Theater heute zum Theater des Jahres gekürt wurden. Von 2015 bis 2017 war Simons Intendant der Ruhrtriennale. Seit der Spielzeit 2018 / 19 ist Johan Simons Intendant des Schauspielhaus Bochum. Er wurde mit dem Berliner Theaterpreis geehrt, erhielt den Theaterpreis Der Faust in der Kategorie Regie Schauspiel, zweimal den Nestroy sowie bislang sieben Einladungen zum Berliner Theatertreffen, zuletzt 2020 für „Hamlet“ mit Sandra Hüller in der Titelrolle. „Der Würgeengel“ in der Regie von Simons feiert in der Spielzeit 2022/23 Premiere und ist sowohl am Schauspiel Leipzig als auch im Schauspielhaus Bochum zu sehen. Als Kooperation beider Häuser angelegt, wird die Inszenierung von einer Besetzung aus beiden Schauspielensembles getragen.
TRAILER
► Quelle: YouTube
KREATIVTEAM
Regie
Johan Simons
Bühne
Johannes Schütz
Kostüme
Katrin Aschendorf
Lichtdesign
Bernd Felder
Video
Voxi Bärenklau
Komposition
Moritz Bossmann
Steven Prengels
Musikalische Einstudierung
Moritz Bossmann
Laura Wasniewski
Dramaturgie
Angela Obst
Marleen Ilg
Licht
Carsten Rüger
Theaterpädagogische Betreuung
Amelie Gohla
besetzung
Anne Cathrin Buhtz
Marius Huth
Sandra Hüller
Roman Kanonik
Alexander Wertmann
Ruby De Quero
Lotte Rinke als ein Kind
KIRCHENORGEL
Laura Wasniewski
HAMMONDORGEL
Moritz Bossmann
Laura Wasniewski
Fotos im Hintergrund: Marcus Dallüge, (c) 2024